In diesen Tagen lesen die Evangelium nach JohannesMit besonderer Klarheit ist mir ein grundlegender Aspekt aufgefallen, der der allgemeinen Vorstellung, die wir von diesem Evangelium haben können, zu widersprechen scheint. Es scheint, dass dieses letzte kanonische Evangelium, das am Ende des ersten Jahrhunderts nach den drei synoptischen Evangelien geschrieben wurde, "theologisch" ist, wobei dieser Begriff so zu verstehen ist, dass er den konkreten historischen Daten, in denen sich das irdische Leben Jesu von Nazareth entfaltete, wenig Aufmerksamkeit schenkt.
Diese allgemeine Vorstellung über das vierte Evangelium steht jedoch von Anfang an im Gegensatz zur Realität dessen, was konkret geschrieben ist, entsprechend der Absicht des Autors, der von Anfang an deutlich macht, dass er die wahrhaft menschliche Seite Jesu darstellen will: "Und das Wort wurde Fleisch" (Joh 1,14).
Ewigkeit und Menschlichkeit
Ja, er betrachtet das Wort in seiner Ewigkeit, in seiner Vorzeitlichkeit, aber nicht getrennt oder ohne weiteres vorzeitlich, sondern in seiner Vereinigung mit dem "Fleisch", mit seinem Menschsein, und zwar mit seinem Menschsein in dem, was am schwächsten und zerbrechlichsten ist.
Johannes, der sein Evangelium im hohen Alter geschrieben hat, erahnt und entdeckt hinter jedem Ereignis des zeitlichen, geschichtlichen Lebens Christi dasselbe Wort, denselben zeitlosen, ewigen Christus, "der noch im Schoß des Vaters ist" (vgl. Joh 1,18), der auf Erden wirkt. Das Menschliche steht in keiner Weise im Gegensatz zum Göttlichen in Jesus, sondern ist dessen Transparenz und Manifestation.
Einheit im Evangelium
Es gibt keinen Dualismus, keinen gnostischen Doketismus, sondern eine Einheit, selbst in den schmerzhaftesten Stunden des Leidens und Sterbens Jesu. Gerade in diesen Leiden sieht Johannes die Göttlichkeit Christi, seine ewige und endgültige Liebe, in besonderem Glanz aufleuchten: "Und wenn ich von der Erde erhöht bin, werde ich alle Menschen zu mir ziehen" (Joh 12,32). Die Wunder sind ihrerseits mehr als Machtwerke, sie sind "Zeichen", ein "Aufleuchten" seiner Liebe, seiner Göttlichkeit.
Schließlich werden alle Fakten des Lebens Jesu, die in der Erde und in der Geschichte verankert sind, in das Licht des ewigen Wortes, des "eingeborenen" Sohnes, gestellt: "Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt, und wir haben seine Herrlichkeit gesehen, eine Herrlichkeit wie des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit" (Joh 1,14).